Leben zwischen Wattenmeer und Wellenstrand

Erinnerungen zum 70-jährigen Bestehen des Fünf-Städte- Jugendferienheims in Hörnum auf Sylt

Als der 14 Jahre alte Walter Marquardt mit seiner achten Klasse die erste große Reise antreten soll, ist er schon Tage voher aufgeregt. Der Augenblick, als er dann mit seinen Schulkameraden das erste Mal über die Dünen stapft und die Nordsee erblickt, ist ihm fest in die Seele gebrannt – bis heute mehr als 60 Jahre später. „Wir stürmten ans Wasser, ließen auch nicht ab, als die Klamotten von den Wellen durchnässt waren. Noch Tage später war unsere Lederhose vom Salz der Nordsee knochenhart. Egal, wir haben jeden Moment genossen“, erinnert sich der heute 78- jährige Glückstädter gern an seine Zeit im Fünf-Städte-Heim in Hörnum auf Sylt. Seine Kameraden und er türmten nachts aus den Fenstern, verliebten sich, weinten um unerreichbare Mädchen, aßen um die Wette, tanzten und spielten. Diese Klassenreise liegt mittlerweile 63 Jahre zurück. Doch wie dem Glückstädter Jung geht es vielen Menschen in der Republik. Etwa 430.000 Jungen und Mädchen haben seit der Gründung des Jugenderholungs- und Schullandheims vor 70 Jahren gelacht, geweint, gelernt ...

Den einen packt das Hörnum-Fieber, den anderen erschreckt das große Haus, das 1936 von der Luftwaffe des Deutschen Reichs als Offizierserholungsstätte gebaut und nach 1945 für diejenigen hergerichtet worden war, die unter den Folgen des Zweiten Weltkriegs extrem gelitten hatten, den Kindern. Heute gibt es nur noch wenige, die sich an diese Aufbauzeit erinnern. Einer von ihnen ist Heinz Plickert. Der Pinneberger Jung gehörte zu denen, die für eine andere, eine friedliche Welt streiten wollten. Das engagierte Mitglied der Gewerkschaftsjugend machte 1948 die erste Gruppenleiterschulung in Hörnum mit und auch ihn packte dieses bislang unerforschte Hörnum-Virus, das ihn immer wieder dorthin führte, an die Nordsee, in den Süden Sylts zwischen Wattenmeer und Wellenstrand, mitten rein in die Dünen, deren Strandhafer im Wind weht, egal, was draußen herum vor sich geht.

„Was damals wichtig war, kann heute niemand nachvollziehen“, sagt Heinz Plickert, 89. „Da gab es zum Beispiel den Jungen, der glücklich seinen Eltern berichtete: ‚Ich durfte heute eine ganze Wurst allein essen.’ Aber genau das war anfangs das Wichtigste: Es ging darum, dass die Kinder satt wurden. Es wurde kein Lebensmittel weggeschmissen, alles irgendwie verwertet.“ Aber auch das Zusammengehörigkeitsgefühl, egal ob am Lagerfeuer, beim Toben am Strand oder beim Singen hatten eine ungeheuere Strahlkraft. „Wir sind mit den Kindern mit dem Fischkutter rausgefahren“, erinnert sich der damalige Gruppenleiter. „Das wäre heute aufgrund der Sicherheitsbestimmungen gar nicht mehr möglich. Durch diese Vorschriften geht immer mehr Romantik verloren.“ Trotz wachsender Reglementierungen nicht nur in der Jugendarbeit hielt Heinz Plickert seinen starken Draht zum Haus an der Nordsee, übernahm in den 70er-Jahren den Vorsitz des Fünf-Städte-Vereins und 1978 die Leitung des Ferienheims. Ende 1991 ging er in den Ruhestand. Doch wenn er erzählt, dann leuchtet das Hörnum-Virus, auch wenn er sagt. „Ich halte mich da raus. Alles hat seine Zeit und jeder seinen Stil.“

Auch Walter Marquardt war lange nicht mehr im Fünf-Städte-Heim, aber immer wieder an der Nordsee. Und wenn er erzählt, wie er mit den anderen Jungs erstmals das Leben fernab von Zuhause genossen hat, dann strahlen die Augen und der Blick geht ganz weit weg: zum Haus am Meer.

Erste Gruppenleiterschulung 1948

Erste Gruppenleiterschulung 1948

Die erste Gruppenleiterschulung im Fünf-Städte-Heim 1948: mit dabei Heinz Plickert (l., sitzend auf der Mauer), später Bürgervorsteher in Pinneberg, Vorsitzender des Fünf-Städte-Vereins und zuletzt Heimleiter (1978-1991).
Foto: privat
Internationale Freizeit 1949

Internationale Freizeit 1949

Internationale Jugendbegegnung im Fünf-Städte-Heim: Die Jugend Europas will nie wieder Krieg.

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